Er möchte nicht, dass andere erst überlegen müssen, ob sie etwas mit ihm zu tun haben wollen. „Das war für mich eine höllische Vorstellung: andere dazu zu bringen, sich entscheiden zu müssen. Ich will so genommen werden wie ich bin.“ Er will nicht definiert werden über seine jüdischen Großeltern. Will nicht definiert werden über die Religion, der sein Vater angehörte, bevor er sich taufen ließ. Fünf Jahre vor Walter Joelsens Geburt. Er will sein wie alle anderen. „Es hat einige Zeit gedauert bis ich kapiert habe: Du hast nun mal jüdische Wurzeln. Warum distanzierst du dich von etwas, das du gar nicht kennst?“ Er beginnt, sich zu interessieren. Seine Großeltern kann er da aber nicht mehr fragen. Das bedauert er bis heute.
Dafür können die Menschen heute ihn fragen. Walter Joelsen arbeitet für die Gedenkstätte Dachau und die Versöhnungskirche auf dem ehemaligen KZ-Gelände. Er spricht viel mit Schülern. Seine Erfahrungen sind überwiegend positiv, sagt er. „Ich will den Menschen Mut machen, sich zu wehren. Wenn die kommen, die sagen: der ist anders, die ist anders, weg damit.“ Darum geht es ihm vor allem. „Das heißt doch nicht, dass ich alle lieben muss. Es gibt Menschen, die mag ich nicht, die will ich gar nicht mögen. Aber ich darf ihnen doch nicht das Recht zu leben verweigern, bloß weil sie nicht so sind, wie ich sie haben möchte.“
Der Lehrer, auf dessen Pult der Zettel lag, stellte sich damals vor die Klasse und rief: „Einer unter uns ist anders.“ Walter Joeslen ist sich sicher: „Wenn ich den gefragt hätte: Was haben Sie denn gegen mich? Dann hätte der bestimmt geantwortet: Ich habe überhaupt nichts gegen Dich. Du bist sogar ein sehr guter Schüler. Aber Du hast jüdisches Blut in Deinen Adern, und das ist gefährlich.“
Die Lehrer, die er heutzutage bei Schülergesprächen trifft, staunen über ihre Schüler. Sie hätten ihre Klasse noch nie so konzentriert erlebt, meinen sie. „Darüber freue ich mich immer wie ein Kind“, sagt Walter Joelsen. Er lacht. Nicht zum einzigen Mal. Es ist schön, zu lachen.
Das gesamte Interview können Sie sich in der Mediathek anhören oder hier:
Schüler der Mittelschule am Winthirplatz diskutieren mit Walter Joelsen. Lesen Sie hier den Bericht von Julia Wieland.