Gedichte von Ilse Weber aus Theresienstadt

Ilse Weber, geb. Herlinger
Ilse Weber ist geboren 1903 im damaligen Österreich-Ungarn.
Schon als junges Mädchen schrieb sie Kindermärchen, Kindertheater etc.
Ilse war verheiratet mit Willi Weber.
An Neujahr 1931 wurde ihr Sohn Hanuš geboren, sein Bruder Tomáš im März 1934.
Hanuš konnte im Kindertransport fliehen über England nach Schweden.
Ilse und Willi Weber mit Sohn Tomáš wurden nach Theresienstadt verschleppt, wo Ilse Weber als Krankenschwester in der Kinderkrankenstube eingesetzt wurde.
Im Lager schrieb sie weitere Gedichte und Lieder. Berühmt durch zahlreiche Interpretationen wurden das von ihr komponierte Schlaflied Wiegala und das Lied Ich wandre durch Theresienstadt.
Ilse Weber wurde mit Mann und Kind nach Auschwitz transportiert. Dort wurde sie ermordet zusammen mit ihrem Sohn Tomáš und all den Kindern, die sie in Theresienstadt betreut hatte.
Ihr Mann überlebte als Zwangsarbeiter den Holocaust.
Weiter Informationen zu Ilse Weber gibt es auch auf der Website vergessene-frauen.de.
Ein Koffer spricht
gedichtet im KZ Theresienstadt
Ich bin ein kleiner Koffer aus Frankfurt am Main
und ich such meinen Herrn, wo mag der nur sein?
Er trug einen Stern und war alt und blind
und er hielt mich gut, als wär ich sein Kind.
Seinen Reisekameraden hat er oft mich genannt,
ich fühle noch seine behutsame Hand.
Ich bin aus echtem Vulkanfiber, man kann es noch lesen,
und ich bin früher blank und sauber gewesen.
Ich hab meinen Herrn begleitet jahraus, jahrein.
Auch diesmal ging ich mit ihm. Jetzt ist er allein.
Er war alt und blind, wohin ist er gekommen?
Und weshalb hat man mich ihm fortgenommen?
Warum bin ich auf dem Kasernenhof geblieben?
Sein Name steht doch auf meinem Kleid geschrieben.
Nun bin ich schmutzig, mein Schloss hält nicht mehr,
man hat mich geplündert, ich bin fast leer.
Nur ein Tuch ist noch da, ein Becherl dabei
und seine kleine Blindentafel aus Blei.
Sonst ist alles fort, die Arzneien, das Brot.
Er sucht mich gewiss, vielleicht leidet er Not.
Es muss recht schwer sein für einen Blinden,
mich in dem Stapel von Koffern zu finden.
Ich kann es auch so schwer verstehen,
weshalb wir hier nutzlos zugrunde gehen.
Ich bin ein kleiner Koffer aus Frankfurt am Main,
ich möcht’ zu meinem Herrn, er ist so allein.
Ich wandre durch Theresienstadt
Ich wandre durch Theresienstadt,
das Herz so schwer wie Blei.
Bis jäh mein Weg ein Ende hat,
dort knapp an der Bastei.
Dort bleib ich auf der Brücke stehn
und schau ins Tal hinaus:
ich möcht so gerne weiter gehn,
ich möcht so gern nach Haus!
Nach Haus! — du wunderbares Wort,
du machst das Herz mir schwer.
Man nahm mir mein Zuhause fort,
nun hab ich keines mehr.
Ich wende mich betrübt und matt,
so schwer wird mir dabei:
Theresienstadt, Theresienstadt,
wann wohl das Leid ein Ende hat,
wann sind wir wieder frei?