Krankenheim Israelitische Privatklinik Hermann-Schmidt-Straße 5-7 1911-1942

Sicht von der Kobellstraße auf die Hermann-Schmid-Straße, hinten: Israelische Privatklinik, 1910, StadtAM, HB-II-c-0511
Wohltätigkeit ebenso wie Fürsorge für Kranke gehören von jeher zu den wichtigsten Grundprinzipien und Aufgabengebieten jüdischer Gemeinden. 1906 entstand der Verein „Krankenheim Israelitische Privatklinik e.V”auf Initiative der Loge B’nai B’rith und der beiden Ärzte August Feuchtwanger und Joseph Marschütz. Der Verein kaufte 1910 das Gebäude in der Hermann-Schmid-Straße 5 und eröffnete 1911 ein Krankenheim, das Menschen aller Konfessionen zur Verfügung stand. Die Patienten waren bis 1933 nur zur Hälfte Juden und Jüdinnen. Im Ersten Weltkrieg wurden dort auch verletzte Frontsoldaten ärztlich versorgt. Im Jahr 1919 wurde das Gebäude um das Nachbarhaus Hermann-Schmid-Straße 7 erweitert, ab 1925 kam eine Entbindungsstation hinzu, bis das Krankenheim zu Beginn der 1930er Jahre über 40 Betten verfügte. Zur Privatklinik gehörte auch ein Schwesternheim, das seit 1900 existierte und in der „Lipschütz’schen Versorgungsanstalt“ in der Mathildenstraße beheimatet war, bis es 1911 im ersten Obergeschoss der Israelitischen Privatklinik e.V. eine neue Unterkunft fand.
Noch bevor die „Nürnberger Gesetze“ 1935 verabschiedet wurden, hatten die rassistischen Vorstellungen der Nationalsozialisten über den „deutschen Volkskörper“ und den Vorrang des „deutschen Blutes“ brutale Einschnitte in der Krankenversorgung der jüdischen Bevölkerung bewirkt, die schließlich 1936 dazu führten, dass Juden und Jüdinnen nicht mehr in öffentlichen Krankenhäusern versorgt wurden. Zuflucht und ärztliche Versorgung für jüdische Menschen boten nur mehr das Israelitische Krankenheim in München und zwei weitere Krankenhäuser in Fürth und Würzburg. Auf Befehl von Heinrich Himmler wurde das Heim im Mai 1942 aufgelöst, Patient*innen, Pflegepersonal und Ärzt*innen wurden ab Juni 1942 ins Ghetto und KZ Theresienstadt verschleppt. Zu den deportierten Ärzt*innen gehörte auch der Leiter der Israelitischen Privatklinik, Julius Spanier.
Anschließend eignete sich die NS-Organisation „Lebensborn e.V.“ das Gebäude an, ohne dass der vereinbarte Kaufpreis bezahlt wurde. Das Gebäude wurde im Krieg zerstört.
Verfasst von Edith Raim
Jüdisches Krankenhaus nach 1945
Während der Nazizeit war die Versorgung der jüdischen Bevölkerung äußerst schwierig. Die meisten Krankenhäuser waren zerstört oder anderen Zwecken zugeführt. Nur ein Bruchteil der jüdischen Ärzte überlebte die Shoa, und unmittelbar nach dem Krieg vermieden es jüdische Überlebende deutsche Ärzte aufzusuchen. Jüdische Selbsthilfeorganisationen bauten eine neue medizinische Infrastruktur auf. Im Frühjahr 1946 wurde unter der Leitung der UNRRA (United Nations Relief and Rehabilition Administration) im Max-Josef-Stift Gymnasium in Bogenhausen für die Überlebenden und von den Nazis Verfolgten ein Krankenhaus eröffnet. Ab April 1949 widmete sich das Krankenhaus unter Leitung von Dr. Moses Osterweil ausschließlich der Betreuung überlebender Juden. Die Institution bestand bis zum Herbst 1951 und diente der Hilfe und Unterstützung während der Nachkriegszeit.
Israelitische Altersheime in München –
Wohneinrichtungen für alte und pflegebedürftige Juden und Jüdinnen in München
Seit Anfang des 19. Jahrhunderts verbreiteten sich zahlreiche jüdische Wohlfahrtsorganisationen, die lange vor der Etablierung des Wohlfahrtsstaats die Fürsorge für Alte, Arme und Kranke übernahmen. Während des Pogroms von 1938 waren Altersheime oder Kuranstalten bevorzugte Ziele der Nationalsozialisten. Die brutale Vertreibung und Aussetzung der alten und oft hilflosen Menschen stellt ein besonderes Ausmaß der Unmenschlichkeit dar. Zwar konnte das Münchner Israelitische Altersheim Ende 1938 wieder benutzt werden, doch spiegelte sich die Not der Menschen in der Überbelegung wider: Gerade alte Menschen waren oft weder körperlich noch finanziell in der Lage, eine Emigration in Betracht zu ziehen und waren den Schikanen und der Willkür der Nationalsozialisten hilflos ausgeliefert.
Verfasst von Edith Raim
Lipschütz’sche Versorgungsanstalt, Altenheim, Mathildenstraße 8/9

Mathildenstift, israelitisches Altersheim, 1910 | StadtAM, Pett2-1847
Über das Israelitische Altenheim an der Mathildenstraße 8/9, dessen Gründung vermutlich auf eine Stiftung wohlhabender jüdischer Bürger zurückgeht, ist nur wenig bekannt. Seit Ende des 19. Jahrhunderts lässt sich die „Lipschütz’sche Versorgungsanstalt für alte erwerbsunfähige Israeliten“ in der Mathildenstraße als Trägerin des Altenheims nachweisen. Im Jahr 1937 wurde die Einrichtung um ein zusätzliches Stockwerk erweitert. Zu dieser Zeit belief sich der monatliche Pensionspreis auf 90 Reichsmark. Während der „Reichskristallnacht“ am 10. November 1938 wurde das Haus zwangsweise geräumt. Viele Bewohnerinnen und Bewohner wurden auf die Straße gesetzt und mussten bei Verwandten oder Bekannten Unterschlupf suchen. Erst nach Tagen konnte das Wohlfahrtsamt der Israelitischen Kultusgemeinde den Verbleib aller Heimbewohner ermitteln. Nach zähen Verhandlungen gelang es der Kultusgemeinde, das Haus Anfang Dezember 1938 wieder zu eröffnen. Allerdings mussten sich die alten Menschen, die vorher jeweils ein Zimmer bewohnt hatten, jetzt zu zweit oder zu dritt ein Zimmer teilen. Im Februar 1942 lebten ca. 100 Bewohner dichtgedrängt im Heim.
Im März und April 1942 wurden die noch verbliebenen Bewohnerinnen und Bewohner in die „Judensiedlung Milbertshofen“, in die „Heimanlage für Juden“ in Berg am Laim sowie in das Altenheim an der Klenzestraße und in die „Israelitische Privatklinik“ verlegt. Wenig später wurden die meisten von Ihnen nach Theresienstadt deportiert. Die „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“ wurde angewiesen, das Gebäude zu verkaufen. Es gab mehrere Kaufinteressenten. Die benachbarte Deutsche Arbeitsfront (DAF) wollte gerne ihre Räume auf das Anwesen erweitern. Auch die Stadt München hatte starkes Interesse an dem Gebäude, da sich in unmittelbarer Nachbarschaft bereits ein städtisches Pensionat befand, das durch den Zukauf der „Lipschütz’schen Versorgungsanstalt“ ohne nennenswerten Aufwand hätte erweitert werden können. Den Zuschlag konnte sich schließlich die SS sichern, die am 24. März 1942 das Anwesen samt Inventar zum Preis von 127.500 RM für die NS-Organisation „Lebensborn e.V.“ erwarb. Die Kaufsumme wurde jedoch nicht ausbezahlt.
Altenheim und rituelle Speiseanstalt Klenzestraße 4

Altenheim und rituelle Speiseanstalt, Klenzestraße 4, um 1908
© Stadtarchiv München
Die rituelle Speiseanstalt in der Klenzestraße 4 wurde 1906 von den Eheleuten Gabriel und Rosa Ritter gegründet. 1917 wurde das Erdgeschoss des vierstöckigen Wohnhauses umgebaut. Es entstanden drei Speiseräume, eine Küche und ein Vorratsraum. Ab diesem Zeitpunkt übernahm die Wohlfahrtsabteilung der Israelitischen Kultusgemeinde die Speiseanstalt, die das Gebäude vermutlich in den späten 1920er Jahren erwarb. Pro Jahr wurden dort zwischen 33.000 und 56.000 Essen ausgegeben. Zeitweise war hier auch eine Wärmestube für erwerbslose Erwachsene sowie eine Nähstube eingerichtet. 1934 wurde in der Klenzestraße 4 das von Jakob Feibusch streng rituell geführte Altenheim eröffnet. Die Bewohner waren in 2- und 3-Bett-Zimmern untergebracht.
1942 umfasste das Heim drei Stockwerke und das ausgebaute Dachgeschoss. Auf jeder Etage gab es sechs Zimmer, eine Kammer und ein Bad. Im Februar des Jahres 1942 bewohnten 54 Personen das Heim. Die meisten von ihnen wurden Mitte März 1942 in die „Judensiedlung Milbertshofen“ in der Knorrstraße 148 verlegt. Am 10. Juli 1942 wurde das Heim vollständig geräumt, die letzten Bewohner in die „Heimanlage für Juden“ in Berg am Laim eingewiesen. Bereits am 24. Juni 1942 hatte die Stadt München das Haus beschlagnahmt, um hier ein Hilfskrankenhaus einzurichten. Alle laufenden Grundstückskosten musste jedoch weiterhin die „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“ als Eigentümerin tragen. Ende November 1943 richtete die Stadt in dem Gebäude ein Frauenheim ein. Bei einem Luftangriff im März 1944 wurde das Haus stark beschädigt.
1953 gab die Stadt das Areal Klenzestraße 4 im Zuge der Wiedergutmachung an die Jewish Restitution Successor Organisation (IRSO) zurück. Das dazugehörige Haus war aufgrund seiner schweren Beschädigungen nach Kriegsende abgerissen worden.
Aus: Gedenkbuch München
Altenheim, Israelitisches Pensionat, Kaulbachstraße 65
Das Israelitische Pensionat an der Kaulbachstraße 65 wurde 1905 gegründet. Die Errichtung dieses „Heimes für nicht ganz unbemittelte alte Leute“ war ermöglicht und finanziert worden durch beträchtliche Spenden namhafter jüdischer Mäzene, unter ihnen die Baronin Klara von Hirsch-Gereuth (Paris), Josef Kronheimer (Melbourne), die Kommerzienräte Berolzheimer und Bernheimer, Albert Landauer, sowie Hermann und Oskar Tietz. Das Pensionat hatte ursprünglich 15 Zimmer, wurde aber 1910 um einen zusätzlichen Flügelbau mit 17 Zimmern, einen Saal und weitere Wirtschaftsräume erweitert.
Im Zuge der „Reichskristallnacht“ im November 1938 wurde das Heim vorübergehend geschlossen. Die Ortsgruppe der SA hielt in dem Gebäude ein Gelage ab, entwendete Einrichtungsgegenstände und Geld und zwang die Leiterin Regina Tuchmann unter erpresserischem Druck eine Bankvollmacht über mehrere Tausend Mark zu unterzeichnen. Die alten Menschen mussten notdürftig in Privatwohnungen untergebracht werden. Das Pensionat konnte erst am 1. April 1939 wiedereröffnet werden. Im Zuge der Entmietung und Ghettoisierung der Juden sah sich die Israelitische Kultusgemeinde gezwungen, immer mehr Menschen in die Altenheime einzuweisen, die zu sogenannten Judenhäusern umfunktioniert wurden. Im Februar 1942 war das Heim mit ca. 100 Bewohnern sehr dicht belegt. Einen Monat später musste die Israelitische Kultusgemeinde das Gebäude für die NS-Organisation „Lebensborn e.V.“ räumen, die dort eine „Mutterwohnstätte“ einrichtete. Die Bewohner wurden in die Altenheime in der Klenzestraße 4 und Mathildenstraße 9, in die „Heimanlage für Juden“ in Berg am Laim sowie in die „Judensiedlung“ Milbertshofen verlegt.
Am 15. Juli 1945 gründeten Überlebende in dem Gebäude in der Kaulbachstraße 65 die Israelitische Kultusgemeinde München neu. Hier war auch die erste Anlaufstelle für die aus Theresienstadt zurückkehrenden überlebenden Münchner Juden. Am 13. Februar 1970 kamen bei einem Brandanschlag auf das jüdische Altersheim sieben Menschen ums Leben. Heute ist das Gebäude im Auftrag der Israelitischen Kultusgemeinde erneut als Seniorenheim in Nutzung.
Aus: Gedenkbuch Münchner Juden
Neben der „Heimanlage Berg am Laim“ und der Flachsröste Lohhof war die „Judensiedlung Milbertshofen“ Teil des Lagersystems, das von der bei der Gauleitung angesiedelten „Arisierungsstelle“ zur Ausgrenzung, Diskriminierung und Ausplünderung der Münchner Juden eingerichtet wurde. Sie kündigte deren Wohnungen und wies ihnen einen Platz in einem der Lager oder in einem der Münchner „Judenhäuser“ zu. Die jüdische Bevölkerung wurde seit Ende 1938 systematisch aus ihren Wohnungen und Häusern vertrieben, um Wohnraum für „arische“ Interessenten oder verdiente Parteigenossen freizumachen. Innerhalb von nur einem Jahr wurde mit Hilfe des Lagers in Milbertshofen, der „Heimanlage für Juden“ in Berg am Laim sowie weiteren Gemeinschaftsunterkünften und sogenannten „Judenhäusern“ ein Großteil der jüdischen Bevölkerung Münchens ghettoisiert.
Vom Naziregime geschaffene Institutionen
Zur Entrechtung der jüdischen Bevölkerung gehörte auch die Aufhebung des Mieterschutzes. Schon beim Pogrom von November 1938 war die Verletzung der Privatsphäre mit dem Einbruch in Häuser und Wohnungen ein wesentliches Element des reichsweiten Terrors gewesen. Das Gesetz über die Mietverhältnisse mit Juden vom 30. April 1939 ermöglichte es nichtjüdischen Eigentümern, sich ihrer jüdischen MieterInnen ohne Einhaltung des rechtlichen Kündigungsschutzes zu entledigen, da es „Ariern“ nicht zuzumuten sei, mit Juden unter einem Dach zu wohnen. Als Folge dessen wurde die Wohnsituation für jüdische Menschen, die in sogenannte „Judenhäuser“ gepfercht wurden, immer bedrängter.
Heimanlage für Juden Berg am Laim (Kloster Barmherzige Schwestern)
Massenunterkunft für jüdische Menschen in der Clemens-August-Straße 9

Noviziatsgebäude der Barmherzigen Schwestern in Bayern, von 1941 bis 1943 zur ‚Heimanlage für Juden Berg am Laim’ umfunktioniert, Aufnahme aus den 1960er-Jahren
Archiv der Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul, Mutterhaus München
Die „Heimanlage für Juden“ im Kloster der Barmherzigen Schwestern, damals Clemens-August-Straße 9, heute Sankt-Michael-Straße 16, diente als Massenunterkunft für über 300 Menschen, die auf drei Geschossen in beengten Verhältnissen hausen mussten. Neben der “Judensiedlung Milbertshofen“ und der „Flachsröste Lohhof“ war es Teil eines Lagersystems für die Münchner Juden und Jüdinnen. Gleichzeitig ermöglichte ihre Konzentration auf kleinstem Raum den schnellen Zugriff der Gestapo bei der Deportation.
Neben der außerordentlich beengten Wohnsituation erschwerte der Zwangsarbeitseinsatz das Leben der Menschen. Der 1938 für jüdische Männer eingeführte ‚Geschlossene Arbeitseinsatz‘ wurde sukzessive auf Frauen und ältere Menschen erweitert. Harte, schmutzige und oft ohne Hilfsmittel zu erledigende Arbeiten, lange Arbeitszeiten und das Verbot, öffentliche Transportmittel auf dem Weg von und zur Arbeit zu nutzen, quälten die Menschen ebenso wie die Ungewissheit des eigenen Schicksals angesichts der steten Deportationen seit Herbst 1941. Die Angst vor den Deportationen trieb viele in den Suizid. Leiterin der Anlage war seit April 1942 Else Berend-Rosenfeld. Nach ihrer Flucht leitete Curt Mezger das Lager bis zu dessen Schließung. Von den Deportierten überlebten nur die wenigsten Menschen. Am 1. März 1943 wurde die ‚Heimanlage‘ vollständig liquidiert und die verbliebenen Bewohner*innen nach Auschwitz deportiert. Das Mahnmal Sankt-Michael-Straße 16 erinnert an Leben und Tod der Heimbewohner*innen.
Verfasst von Edith Raim; nsdoku München
Barackenlager Knorrstraße 148 (Judensiedlung Milbertshofen)
Sammelstelle für die Münchner Juden und Jüdinnen vor ihrer Deportation
Das Barackenlager in der Knorrstraße wurde von den Verfolgungsbehörden schönfärberisch „Judensiedlung“ genannt. Es wurde an der Knorrstraße 148 im Stadtteil Milbertshofen im Frühjahr 1941 auf Initiative der so genannten „Arisierungsstelle“ des Gauleiters und in enger Abstimmung mit der Stadtverwaltung und der Gestapo errichtet. Es lag in einem Industriegebiet im Stadtteil Milbertshofen und war das größte Ghetto für Juden in München. Zwangsverpflichtete jüdische Arbeitskräfte mussten das Lager aufbauen, ohne dafür eine Bezahlung zu erhalten. Die Bauleitung übernahm die Münchner Stadtverwaltung. Ausgeführt wurde der Bau durch die Firma Hinteregger. Die Baukosten wurden von der Stadt bevorschusst und von der „Arisierungsstelle“ binnen eines Jahres zurückgezahlt. Zu diesem Zweck verlangte die „Arisierungsstelle“ von der Israelitischen Kultusgemeinde für jeden Lagerinsassen eine tägliche Wohngebühr und erpresste von einzelnen jüdischen Personen „freiwillige Spenden zum Bau des Lagers“. Dabei beliefen sich diese den Juden abgenötigten Abgaben auf ein Vielfaches der tatsächlichen Baukosten.
Das auf einem Areal von mehr als 14.000 qm errichtete Barackenlager bot etwa 1.100 Personen Platz (war aber wiederholt überbelegt). Ohne Genehmigung durfte niemand das Lager verlassen. Ursprünglicher Zweck der „Judensiedlung Milbertshofen“, so die amtliche Bezeichnung des Lagers, war die Ghettoisierung der Münchner Juden.

Ankunft neuer Insassen November 1941
Ab Ende des Jahres 1941 diente das streng abgeschlossene Barackenlager als Sammelstelle für die nun einsetzenden Deportationen. Der erste Transport in den Tod verließ München im November 1941 vom nahegelegenen Güterbahnhof Milbertshofen. Die etwa 1.000 Männer, Frauen und Kinder des Transportes ermordete die SS am 25. November 1941 im litauischen Kaunas. Auch der zweite Transport aus München in das Transitghetto Piaski bei Lublin am 4. April 1942 wurde über das Lager Milbertshofen abgewickelt. Mehr als die Hälfte der 776 Deportierten kamen aus dem schwäbischen Raum und waren bereits einige Tage vor dem Transport nach Milbertshofen verlegt worden. In den drei Monaten von Juni bis August 1942 deportierten die Nationalsozialisten in 24 Transporten zu je 50 Personen weitere rund 1.200 Juden aus München und Schwaben in das KZ Theresienstadt. Auch diese Transporte wurden im Barackenlager in der Knorrstraße 148 zusammengestellt. Die Gestapo holte die betreffenden Personen mit Omnibussen und Möbelwagen ab und brachte sie an den Hauptbahnhof oder den Güterbahnhof in Laim, wo sie in einem Personenwagen dritter Klasse, der an einen regulären Zug angehängt wurde, in das KZ Theresienstadt verschickt wurden.
Bei ihrer Ankunft im Barackenlager Milbertshofen wurden die für die Deportation vorgesehenen Personen einer Leibesvisitation unterzogen. Den Betroffenen war die Mitnahme von 50 kg Gepäck gestattet worden, als „Reisekosten“ in die Todeslager waren zusätzlich 50 Reichsmark zu entrichten. Gestapobeamte, Mitarbeiter der „Arisierungsstelle“ und der Finanzverwaltung durchsuchten das mitgebrachte Gepäck, um zu verhindern, dass die Menschen Wertsachen, Schmuck, Fotoapparate und Geld mitnahmen. Zahlreiche Gegenstände wurden dabei beschlagnahmt oder geraubt.
Nachdem im August 1942 die jüdische Gemeinde durch Emigration und Deportation nahezu vollständig ausgelöscht war, wurde das Barackenlager aufgelöst. In der Folgezeit nutzten es die Bayerischen Motorenwerke (BMW) als Unterkunft für ausländische Zwangsarbeiter. Nach 1945 waren hier bis Ende der 1950er Jahre Flüchtlinge untergebracht. Reste des Lagers nutzte später das städtische Wohnungsamt zur Unterbringung von Obdachlosen. Von dem Lagerareal sind heute keine baulichen Überreste mehr vorhanden. An der Troppauer Straße erinnert eine Skulptur in Form einer großen Menora an die Funktion des Ortes als Sammel- und Durchgangslage für Juden sowie an das Schicksal seiner Insassen.
Flachsröste Lohhof

Flachsröste Lohhof 1937
Die Flachsröste Lohhof GmbH wurde im Herbst 1935 errichtet. Hier wurde Flachs zu Naturfasern verarbeitet, die zur Herstellung von Leinstoffen dienten. Die Arbeiten in der Fabrik und auf dem Feld in der prallen Sonne waren berüchtigt. Während des Zweiten Weltkrieges galt die Flachsröste Lohhof als kriegswichtiger Betrieb und wurde bei der Zuteilung von Arbeitskräften bevorzugt behandelt. Allein im Jahr 1942 mussten laut Vorgaben des Reichswirtschaftsamtes in der Flachsröste mindestens 800 Tonnen Fertigfaser hergestellt werden. Das entsprach der Verarbeitung von 1.000 mit Flachs beladenen Eisenbahnwaggons.
In Lohhof wurden vor allem Frauen zur Zwangsarbeit eingesetzt. Es handelte sich vorwiegend um Jüdinnen aus München und eine Gruppe von ca. 68 polnischen Jüdinnen aus dem Ghetto Łódź. Sie mussten entweder für sehr wenig Geld oder gegen „Kost und Unterbringung“ arbeiten. So verdiente z.B. im Juli 1941 eine deutsche Jüdin bei einem 10-stündigen Arbeitstag nur 11,70 RM in der Woche. Insgesamt wurden in Lohhof ca. 300 überwiegend junge jüdische Frauen beschäftigt, die unter der Aufsicht der deutschen Vorarbeiter standen. Die Arbeitsleistung wurde von der „Arisierungsstelle“ scharf überwacht. Die Flachsröste Lohhof gehörte damit zu den größten Münchner Arbeitgebern, die jüdische Zwangsarbeitskräfte beschäftigten. Auf dem Fabrikgelände gab es eine Lagerbaracke, in der bis zu 90 der jüdischen Frauen interniert waren. Die anderen Jüdinnen und Juden aus München mussten täglich den langen Weg nach Lohhof auf sich nehmen.
Obwohl in kriegswichtigen Betrieben die Arbeitskräfte als unentbehrlich galten, wurden im November 1941 64 und Ende März 1942 weitere 43 jüdische Arbeitskräfte abgezogen und deportiert. Sie wurden zunächst durch meist ältere Münchner Juden ersetzt, die mit einem nichtjüdischen Partner in sogenannter „Mischehe“ lebten. Im Oktober 1942 wurde das „jüdische Arbeitskommando Lohhof“ aufgelöst. Die wenigen noch verbliebenen jüdischen Arbeitskräfte wurden auf andere Betriebe in München verteilt. Ersetzt wurden sie durch sogenannte Ostarbeiterinnen aus der Ukraine, zudem waren in Lohhof auch Zwangsarbeiterinnen aus Belgien und französische Kriegsgefangene eingesetzt. Heute erinnert vor Ort ein Denkmal an die Geschichte der NS-Zwangsarbeit in der Flachsröste Lohhof.
Aus: Gedenkbuch Münchner Juden
Judenhäuser
Im Frühjahr 1939 begannen die NS-Behörden mit der zwangsweisen Räumung von Wohnungen, in denen jüdische BürgerInnen lebten. Als Juden sollten sie nach Möglichkeit ausschließlich in „jüdischen“ Häusern wohnen. Für diese Häuser wurde die eigentlich geplante „Arisierung“ des Immobilienbesitzes vorläufig ausgesetzt. Ende April 1941 waren durch diese „Wohnraumarisierung“ von den rund 1.800 Wohnungen im „jüdischen“ Besitz nur noch 45 Wohnungen übriggelassen worden. Die „Entjudung“ von Wohnraum in München trug wesentlich zur weiteren Ausgrenzung, sozialen Isolation und Entrechtung dieser Münchner bei. Sie verloren ihre Wohnungen und oft die letzten Zufluchtsstätten und waren – in den „Judenhäusern“ oft menschenunwürdig zusammengepfercht und dort leicht für die spätere Deportation zu erfassen.
In 264 Wohnungen, meist in Häusern (teils schon emigrierter) jüdischer Eigentümer waren dafür zusätzlich Juden und Jüdinnen eingewiesen worden. Ende 1941 existierten vermutlich etwa zwei Dutzend „Judenhäuser“ in München, die insgesamt über 300 Wohnungen umfassten. Oft teilten sich vier oder fünf Familien eine Wohnung.
Der Verlust der eigenen Behausung, die in den Jahren zuvor oft als letzter Schutzraum vor nationalsozialistischer Verfolgung gedient hatte, bedeutete einen massiven Angriff auf die jüdische Gemeinschaft. Im August 1941 waren laut Angaben der Israelitischen Kultusgemeinde fast 1500 Juden und Jüdinnen in „Judenhäusern“ wohnhaft. Es handelte sich überwiegend um Frauen, oft alt und seit der nationalsozialistischen Ausplünderung völlig verarmt – denn Männern fiel es aufgrund ihrer Berufe und größeren Finanzkraft deutlich leichter, als Emigranten Aufnahmeländer zu finden.
Münchner „Judenhäuser“ waren beispielsweise die Adressen Franz-Joseph-Straße 15, Galeriestraße 30, Goethestraße 23 und 66, Jakob-Klar-Straße 7, Kaiser-Ludwig-Platz 1, Leopoldstraße 42 und 52(a), Maria-Theresia-Straße 23, Thierschstraße 7, Triftstraße 9, Frundsbergstraße 8, Möhlstraße 30, Richard-Wagner-Straße 11, Bürkleinstraße 16 (heute 20) sowie Widenmayerstraße 39 und 41.
Aus ihren Wohnungen vertriebene Juden und Jüdinnen wurden auch in Wohnungen jüdischer Mieter in Häusern nichtjüdischer Eigentümer eingewiesen. Dies allerdings nur so lange, bis die Hauptmieter ihrerseits entmietet waren. Diese Praxis zeigte sich beispielsweise in der Bauerstraße 22, der Widenmayerstraße 36 und der Martiusstraße 8.
Eine weitere Möglichkeit für entmietete Juden und Jüdinnen kurz- bis mittelfristig unterzukommen waren Pensionen, von denen sich einige offenbar auf die Unterbringung jüdischer Mitbürger spezialisiert hatten.
Die etwa 20 „Judenhäuser“ in München waren seit 1939 Orte der zwangsweisen Enteignung deutscher jüdischer Familien, wo sie in den meisten Fällen zuletzt vor der Deportation in die Konzentrationslager einquartiert wurden. Die Verweildauer in den „Judenhäusern“ war meist nur kurz, da die Menschen vor ihrer endgültigen Verschleppung in Sammellager gebracht wurden.
Die „Arisierung“ des Wohnraums seit 1938/39 und die Deportationen seit 1941 führten in München zur „Freiwerdung“ von etwa 3000 Wohnungen.
Wikipedia, Edith Raim, Anton Steiner, Holger Schelpmeier