

August Liebmann Mayer kam am 27. Oktober 1885 als Sohn des jüdischen Kaufmanns Jonas Baruch Mayer und seiner Frau Berta, geborene Liebmann, in Darmstadt zur Welt. Er studierte in München und Berlin Kunstgeschichte, kam am 22. April 1904 nach München und schloss 1907 seine Doktorarbeit über den spanischen Maler Jusepe de Ribera ab.
Nach seiner Promotion reiste er 1908 durch Europa. Mehrere Wochen verbachte er in Spanien. Von Toledo war er so fasziniert, dass er einen Reiseführer über die alte Kaiserstadt verfasste und über Toledo sagte: „Jeder Stein birgt eine Erinnerung… könnten die Steine reden, sie würden uns sagen, dass in wenigen Städten Liebe und Hass so gewütet haben wie hier…“


Zurückgekehrt trat er eine Stelle an der Alten Pinakothek in München an. Dort war er später Kustos und schließlich Hauptkonservator. Parallel dazu war August Liebmann Mayer an der Münchner Universität als außerordentlicher Professor tätig. Als anerkannter Experte für spanische Malerei verfasste er zahlreiche Publikationen und kunstwissenschaftliche Gutachten. Er forschte und publizierte unermüdlich. Allein im Jahr 1913 erschienen von ihm vier Bücher und zwölf Aufsätze im In- und Ausland. Für seine Verdienste um die spanische Kunst wurde er in Spanien zweimal mit Orden geehrt.
Seit August 1914 wohnte er in der Ansbacher Straße 2. 1920 heiratete August Liebmann Mayer die Katholikin Aloisia Däuschinger, die am 11. April 1891 in Rabenstein, Landkreis Zwiesel, geboren war. Am 15. Juli 1929 zog die Familie in den ersten Stock der Martiusstraße 8, wo am 21. Februar 1930 die Tochter Angelika Berta Auguste zur Welt kam.
Aufgrund seiner finanziell erfolgreichen Gutachtertätigkeit geriet er in das Visier von Fachkollegen, die ihm 1930 in polemischer Weise Bereicherung, Unwissenschaftlichkeit und Korruption vorwarfen. Unter anderem sprach der Direktor des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg, Ernst Zimmermann, gegenüber dem bayerischen Kultusministerium von „jüdischen Doktoren, die mehr Händler als Kunsthistoriker“ seien. Nervlich entkräftet von der antisemitischen Verleumdungskampagne bat er am 30. Januar 1931 um seine Entlassung aus dem Staatsdienst. Mit Beginn der NS-Herrschaft spitzte sich die Lage weiter zu. Der Rücktritt reichte den Fachkollegen nicht aus, ihre Angriffe gingen weiter und wurden unverhohlen antisemitisch. Der „Völkische Beobachter“, die Propagandazeitung der NSDAP, bezeichnete Mayer als „jüdischen Kunstparasiten“ und „Expertisenschwindler“. Als die Nazis an die Macht kamen, wurde Mayer von der Gestapo im März 1933 in ‚Schutzhaft‘ genommen. Er versuchte dort, sich das Leben zu nehmen.
Das erschütterte seinen ehemaligen Chef Friedrich Dörnhöffer, Direktor der Pinakotheken, zutiefst. Er setzte sich für seine Entlassung ein. Im Juli 1933 kam Mayer frei.
Die Familie verließ 1933 die Wohnung in der Martiusstraße 8, zog für eine kurze Zeit in das Erdgeschoss der Konradstraße 6 (möglicherweise eine Pension) und am 29. September 1933 in ihr Haus in Tutzing in der Hauptstraße 71. Ab dem 6. April 1933 wurden auch die Finanzbehörden zur Verfolgung eingesetzt. Das Finanzamt erhob eine Steuernachforderung von 115.000, – Reichsmark gegen Mayer. Da Mayer dieses Geld nicht besaß, konfiszierte das Finanzamt das Haus Mayers in Tutzing. Die Nationalsozialisten beschlagnahmten Mayers Besitz, versteigerten seine Möbel und die wertvolle Kunstsammlung. Als Jude wurde er aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen. In seiner beruflichen und privaten Existenz vernichtet, floh Mayer mit seiner Familie Ende 1935 nach Paris. Dank der Unterstützung durch Freunde konnte er seine Bibliothek und einige wenige Kunstwerke mitnehmen.
Er wohnte in einer Parallelstraße der Rue de Rivoli und arbeitete dort als Privatgelehrter, Autor und Gutachter. Nach Beginn des Krieges galt er als Deutscher aus Sicht der französischen Behörden als unerwünschter Ausländer, weswegen er wie viele andere Emigranten als „enemy alien“ 1940 in französischen Lagern interniert wurde. Er schaffte es 1941, nach Nizza zu kommen und hoffte, dass seine Familie ihm nachfolgen würde. Doch seine Frau Aloisia war schwer krank. Sie starb im August 1941. Angelika Mayer war damals erst elf Jahre alt. Freunde der Familie fanden für sie ein Internat in Nizza, das Institut Massenès, dessen Direktorin für die Rettung jüdischer Kinder kämpfte. So versteckt überlebte sie den Holocaust.

Der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) beschlagnahmte die Wohnung in Paris inklusive der Privatbibliothek und einiger Kunstgegenstände. Die Kunstwerke wurden nach Deutschland gesandt, einige gingen direkt an Hermann Göring, der dabei war, für sich eine private Kunstsammlung aufzubauen. August Liebmann Mayer versuchte, obwohl er verfolgt wurde, weiterhin seinen Lebensunterhalt als Kunstexperte zu verdienen. Er wechselte häufig den Wohnort und arbeitete unter dem Pseudonym Henri Antoine. Schließlich wurde Mayer von einem französischen Kunsthändler verraten. Am 3. Februar 1944 verhaftete ihn die Gestapo in Monte Carlo und brachte ihn in das Lager Drancy. Mitarbeiter des ERR versuchten, dem Inhaftierten noch unter Folter Informationen über die Standorte der großen privaten und zum Teil jüdischen versteckten Privatsammlungen im zunächst noch unbesetzten Südfrankreich abzupressen, die er als Experte kannte. Am 07. März 1944 wurde er von dort aus in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Wegen seines fortgeschrittenen Alters ermordete die SS August Liebmann Mayer vermutlich sofort nach Ankunft des Transports am 10. März 1944.
Zu diesem Zeitpunkt war Angelika Mayer 14 Jahre alt. Sie war nun Vollwaise und staatenlos. Dank der Hilfe von Freunden ihrer Eltern überlebte sie. 1951 ging sie in die USA, wo sie ein Studium der Kunstgeschichte aufnahm. Sie strengte ab 1954 verschiedene Entschädigungsverfahren mit bundesdeutschen Behörden an und erhielt in den fünfziger Jahren für den Verlust vor allem der Bibliothek 50.000 DM mit der Auflage nie wieder Forderungen an die Bundesrepublik zu stellen. Der Wert der Bibliothek war bedeutend höher.
Bei ihrer Provenienzforschung stießen die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen aufgrund der Recherchen von Susanne Kienlechner und Christian Fuhrmeister vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte auf vier Gemälde, die aus der Kunstsammlung August Liebmann Mayers stammen. 2010 wurden diese Gemälde an seine damals 80-jährige Tochter Angelika Mayer restituiert.


Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen besitzen seit 1918 eine Porträtbüste Mayers. Der Bildhauer Edwin Scharff, ein Freund des Kunsthistorikers, hat sie geschaffen.
2015 wird die Büste aus dem Depot geholt und vor dem Büro des Generaldirektors in der Neuen Pinakothek in München aufgestellt. Damit erinnern die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen an ihren verfolgten und ermordeten Kollegen.
Die Tochter Angelika Mayer lebt 2025 in einem Seniorenheim in Los Angeles. Sie hat keine Kinder. Sie bekannte sich zum christlichen Glauben und war lange Zeit als Streetworkerin tätig, um mexikanischen Immigranten in Kalifornien zu helfen.
Nachdem der Anwalt von Angelika Mayer die Bayerische Staatsregierung um eine klarstellende, explizite Rehabilitierung von August Liebmann Mayer hinsichtlich der ihm gegenüber von den Nationalsozialisten erhobenen, frei erfundenen Steuerbetrugsvorwürfe gebeten hatte, ist das Bayerische Staatsministerium der Finanzen im Jahr 2013 dieser Bitte nachgekommen.
Seit Oktober 2021 erinnert die Stadt München mit einem Erinnerungszeichen (Wandtafel) in der Martiusstraße 8 an das Schicksal von August Liebmann Mayer.




